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Jahresbericht 2005
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KINDERTAGESSTÄTTE
"SCHAWORALLE"
Was ist „Schaworalle“ ?
Schaworalle ist eine besondere Kindertagesstätte. Der Name „Schaworalle“ kommt
aus dem Romanes und bedeutet „Hallo Kinder“. Der Name ist Programm. Bundesweit
einmalig werden hier ausschließlich Kinder aus rumänischen Romafamilien betreut.
„Schaworalle“ besteht in dieser Form seit Mitte 1999, konsolidiert, erweitert
und verändert sich Jahr für Jahr. Seit dem Frühjahr 2002 ist Schaworalle in der
Frankfurter Innenstadt angesiedelt.
Kindergarten, Schulprogramm, Mittagessen, Hausaufgabenhilfe und ein
abwechslungsreiches Freizeitprogramm am Nachmittag sind die Eckpfeiler der
pädagogischen Arbeit. Die Familienberatung, die Jugendhilfe, sozialpädagogische
Kleingruppenarbeit und ein EU-Beschäftigungsprojekt für Jugendliche und junge
Erwachsene sind weitere Angebote des Fördervereins Roma.
Die Konzeption von „Schaworalle“ ist nicht theoretisch entstanden, sondern
entwickelte sich aus der dreijährigen Erfahrung des Projektes „Schaworalle“,
das, finanziert durch das Jugendamt der Stadt Frankfurt, den Auftrag hatte, sich
insbesondere der längst schulpflichtigen rumänischen Romakinder anzunehmen, die
als „Straßenkinder“ durch Bettelei, Diebstähle, Prostitution und
Nachbarschaftskonflikte aufgefallen sind.
Zu einem Zentrum der Arbeit hat sich in den vergangenen Jahren, orientiert an
der Notwendigkeit, aber auch dem Wunsch der Kinder, zu lernen der Bereich
„kleine Schule“ entwickelt, der Unterricht in „Schaworalle“.
„Schaworalle“ ist auch „Schutzraum“, achtet die Regeln und Gesetze der Roma und
versucht zwischen den Welten der Mehrheit und der diskriminierten Minderheit
durch den Aufbau von Vertrauen zu vermitteln. Intensive Beziehungsarbeit und ein
am Gemeinwesen der Roma orientiertes pädagogisches Denken sind zentrales Moment
der täglichen Arbeit. Ein Schwerpunkt ist uns daher die Arbeit mit den
Kindergartenkindern und der Aufbau einer stabilen Beziehung zu den Müttern.
Hintergründe
Viele, längst schulpflichtige rumänische Romakinder besuchen die Regelschule
sporadisch oder gar nicht. Die Diskrepanz zwischen der Lernbereitschaft und
Motivation der Kinder im Zusammenhang von „Schaworalle“ und der Tatsache, dass
sie, obwohl zum Teil schon sehr lange in Deutschland, der Schulpflicht kaum
Beachtung schenken, zeigt, dass der herkömmliche Regelschulbetrieb ein Bereich
ist, in dem sie ihre Erfahrungswelt, ihre Geschichte und Sprache nicht
wiederfinden.
Der alarmierend hohe Teil von Romajugendlichen ohne Schulabschluss weist
gleichzeitig auf die geringe Chance einer qualifizierten beruflichen Perspektive
hin. Der Teufelskreis von gesellschaftlicher Ausgrenzung, sozialer
Randständigkeit und Verelendung schließt sich.
Schule und Ausbildung werden so zu einem Moment der Diskriminierung.
Die Erfahrung vieler Romafamilien aus Rumänien ist die Erfahrung des Lebens in
Unsicherheit, der ständigen Sorge um den Lebensunterhalt der Familie, der Sorge
um die gesundheitliche Lage der Familienmitglieder, der Sorge um Aufenthalt und
Wohnung.
Der Lebensunterhalt wird oft „auf der Straße“ verdient, mit Betteln, dem Verkauf
von Obdachlosenzeitungen, kleinen Diebstählen, dem halblegalen Handel, etc.
Schon sehr früh tragen die Kinder mit dazu bei. Die Lebenserfahrung der Eltern
und Großeltern (viele waren selbst nicht in der Schule) hat sie gelehrt, dass
auf die Institutionen der Nicht-Roma („Gadsche“) kein Verlass ist, und dass die
entscheidenden Erfahrungen für das Erwachsenenleben in der Familie und auf der
Straße gemacht werden. Die katastrophale ausländerrechtliche Situation, in der
sich viele Familien seit Jahren befinden, verschärft das Misstrauen.
Ebenso groß ist die Sorge der Eltern, dass der Besuch der Schule „ohne Rücksicht
auf unsere Zweisprachigkeit, auf unsere Erziehung zu Unabhängigkeit, und auf ein
Leben in Herrschaftslosigkeit unsere Kinder von den Familien entfremdet.“ (
Melanie Spitta, aus FR vom 15.04.2000 ).
Schaworalle versucht, an dieser Schnittstelle anzusetzen. Die meisten Eltern
wünschen sehr wohl für ihre Kinder, dass sie Rechnen, Schreiben und Lesen
lernen, finden sich und ihre Lebensorganisation aber in den Institutionen der „Gadsche“
nicht wieder und stehen diesen misstrauisch gegenüber. Oft obliegt es den
Kindern selbst, in die Schule zu gehen oder nicht; es gibt auch Kinder, die den
Schulbesuch gegen den Willen der Eltern durchsetzen. Vielen Kindern fehlen im
Einschulalter die „Voraussetzungen“ für den Schulbesuch. Sie sind in ihrer
Muttersprache Romanes sozialisiert worden, sprechen die Sprache der
Mehrheitsgesellschaft wenig oder nicht und haben mit den spielerischen
Tätigkeiten, die andere Kinder im Kindergarten- und Vorschulbereich lernen,
wenig zu tun gehabt.
Immer wieder wird die gleiche Frage gestellt: Warum brauchen wir für diese
Kinder eine eigene Tagesstätte? Ist nicht das Ziel jeder Bildungsmaßnahme die
Integration der Romakinder in die bestehenden Einrichtungen der Stadt?
Die Erfolge der letzten Jahre, die Motivation und das Vertrauen der von uns
betreuten Kinder und Familien zeigen, dass in der Konzeption von Schaworalle und
der hier begonnenen Arbeit ein richtiger Ansatz liegt, auch wenn dieser Ansatz
bei weitem nicht der einzig mögliche ist. Denn gerade wenn die bewusste und
gewollte Integration der Roma unter Wahrung der kulturellen Identität das Ziel
ist, bedarf es zunächst der Bewusstwerdung, der Findung der eigenen Rolle
innerhalb der Mehrheitsgesellschaft. Die Tatsache, dass ausschließlich
Romakinder betreut werden, vermittelt Sicherheit, gibt den Kindern die
Möglichkeit, Erfahrungen und Erlebnisse zu artikulieren und zu reflektieren, die
ihrem Leben eigen sind.
So ist die Muttersprache Romanes, die Betreuung in Romanes, aber auch das Klären
von Konflikten und Problemen in der Muttersprache ein unerlässlicher Baustein;
zum einen, weil viele Kinder die deutsche Sprache nur schlecht beherrschen, zum
anderen, weil Sprache Teil kultureller Identität ist.
Schutz der Kinder und Jugendlichen, Prävention und die Identität der
gesellschaftlichen Minderheit sowie Vermittlung und Information nach außen
spielen in der Arbeit eine ebenso entscheidende Rolle wie die gemeinsame Suche
nach einer Perspektive, die konkrete individuelle Hilfestellung und die Beratung
der Familien.
Finanzierung, Ausstattung und Personal
Die Kindertagesstätte „Schaworalle“ ist eine für 50 Kinder im Alter von 3 – 16
Jahren vorgesehene Einrichtung des Fördervereins Roma, die regulär über das
Schulamt der Stadt Frankfurt, das Jugendamt Frankfurt und das Landesjugendamt
finanziert wird. In Anbetracht der wirtschaftlichen Situation der von uns
betreuten Familien zahlen die Eltern allerdings keinen Beitrag und auch kein
Essensentgelt. Diese Beträge werden vom Frankfurter Jugend- und Sozialamt
übernommen.
Die Räumlichkeiten der Kindertagesstätte erstrecken sich über zwei Etagen.
Im Erdgeschoss befindet sich der Kindergartenbereich, ein Musikraum, die
Holzwerkstatt, das Leiterinnenbüro, sowie ein kleiner Aufenthaltsraum mit
Durchgang zum Hof, die Küche und der Bewegungsraum, in dem auch gegessen wird.
Im ersten Stock sind neben dem Personalraum drei Klassenräume sowie der
Computerraum, ein Raum mit einem Billardtisch und ein kleiner Raum für
Fußballkicker und Einzelförderung untergebracht.
Es gibt ein zwar kleines, aber schön gestaltetes Außengelände.
Der Standort in der Innenstadt ist optimal erreichbar für viele Kinder und
Familien.
Einige Kinder können zu Fuß kommen, die Möglichkeit für Aktivitäten außerhalb
der Einrichtung z.B. Museumsbesuche oder Fahrradtouren am Main sind sehr
günstig. Allerdings bedingt die Nähe zur Zeil, der Frankfurter Fußgängerzone,
bei den älteren Kindern auch eine höhere Fluktuation und viel Besuch.
Die Geschäfts- und Beratungsstelle des Trägers befindet sich in der gleichen
Straße direkt gegenüber.
Das Team
Das Personal der Kita besteht aus Roma und Nicht-Roma.
Zurzeit arbeiten bei „Schaworalle“ 8 Personen mit unterschiedlicher Stundenzahl
im pädagogischen Personal der Kindertagesstätte:
Leitung: 1/1 Stelle, Diplompädagogin, Nicht-Roma
Kindergarten: 2 ErzieherInnenstellen verteilt auf 3 Personen, eine davon eine
Romni
Hort / Unterricht / Freizeit: eine Sozialpädagogenstelle (2/3), insbesondere für
das Werkstattangebot am Nachmittag, eine Erzieherinnenstelle (80%), eine
pädagogische Mitarbeiterin (100 % Romni), ein pädagogischer Mitarbeiter (1/2
Stelle, Rom)
Im Schulbereich von „Schaworalle“ arbeiten zwei Lehrer mit voller Stundenzahl,
ein Grundschullehrer und ein Hauptschullehrer (siehe „die kleine Schule“).
Wertvolle Unterstützung kommt von einer Sonderschullehrerin der
Friedrich-Stoltze-Schule, die mit acht Schulstunden pro Woche einzelne Kinder in
der Unterrichtszeit sonderpädagogisch fördert. Diesen Bereich hoffen wir, in
2006 noch auszubauen.
Finanziert von „Aktion Mensch“ konnte ab Juni 2005 der vakante und von den
Kindern schmerzlich vermisste Computerbereich für ein neues, den Schulbetrieb
ergänzendes Projekt im Bereich Sprach- und Einzelförderung wieder eröffnet
werden. Die Förderung läuft drei Jahre lang.
Hauswirtschaft: Im Hauswirtschaftsbereich (Kochen und Putzen) ist eine
rumänische Romni tätig.
„Schaworalle“ als Beschäftigungsinitiative / Brückenbildung
Bei Schaworalle arbeiten Roma und Nicht-Roma zusammen. Dies war uns seit Beginn
des Projektes äußerst wichtig, zum einen, weil die Anwesenheit von
Betreuungspersonal des eigenen Kulturkreises Vertrauen schafft und Zugang zu
Lebensrealitäten ermöglicht, die den „Gadsche“ nicht bekannt sind, zum anderen
aber auch, um Roma dort Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten, wo die
Zusammenarbeit mit ihnen auch entsprechend gewürdigt wird. Es ist uns wichtig,
hier Arbeitsplätze zu schaffen, die sicher und tariflich bezahlt sind.
So arbeiteten in 2005 „Schaworalle“ vier Roma unterschiedlicher Nationalitäten
in unterschiedlichen Bereichen. Der Hauswirtschaftsbereich (Putzen und Kochen)
wird von einer Romni aus Rumänien betreut. Im Kindergarten arbeitet seit
mittlerweile sieben Jahren eine Romni aus Mazedonien. Als pädagogische
Hilfskraft im Grundschul- und Freizeitbereich ist seit fünf Jahren eine junge
rumänische Romni tätig. Beide Frauen verfügen über keine formale pädagogische
Ausbildung. Die junge rumänische Romni, die als Kind selbst nie eine Schule
besucht hat, arbeitet neben ihrer pädagogischen Tätigkeit in „Schaworalle“
weiter an ihrer eigenen Fortbildung. Im letzten Sommer hat sie ihren
Hauptschulabschluss gemacht. Diese Mitarbeiterin, die für viele Mädchen ein
großes Vorbild ist, verfügt über eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, die es
ihr ermöglicht, diese Stelle zu besetzen.
Eine weitere halbe Stelle, die lange vakant war, konnte im Herbst 2005 von einem
jungen rumänischen Romamitarbeiter besetzt werden, der sich mit viel Engagement
und Einfühlungsvermögen eingearbeitet hat.
Tagesablauf / Gruppenstruktur
Zur Dynamik von „Schaworalle“ gehört ein flexibler, niedrigschwelliger, am
Gemeinwesen der Roma orientierter Ansatz.
Die Stammgruppe von Schaworalle umfasst über 90 Kinder, die fest angemeldet
sind.
Die Regelmäßigkeit, ein Grundproblem der Kinder angesichts der
Lebensorganisation vieler Familien, ist bei der Stammgruppe hoch. Täglich
besuchen bis zu 70 Kinder die Einrichtung. Die meisten Kinder kommen an 3- 4
Tagen in der Woche und / oder melden sich bei wichtigen Terminen oder
Familienereignissen ab. Dazu kommen auch immer wieder Besucherkinder oder die
Kinder von Familien, die regelmäßig für einige Wochen oder Monate in der Stadt
sind.
„Schaworalle“ ist montags bis freitags von 9.00 bis 17.00 Uhr geöffnet.
Am Vormittag von 9.00 bis 13.00 Uhr findet der Betrieb in vier Gruppen statt:
Es gibt die Kindergartengruppe (25 angemeldete Kinder, 12 - 25 täglich anwesend)
sowie drei Schulgruppen, die Grundstufe (32 angemeldete Schüler, 15 – 25 täglich
anwesend), die Mittelstufe (18 angemeldete Schüler, 10 – 15 täglich anwesend)
und die Hauptstufe (18 angemeldete Schüler, 8– 12 täglich anwesend).
„Schaworalle“ öffnet erst um 9.00 Uhr. Dennoch schaffen es nicht alle Kinder,
entsprechend „früh“ aufzustehen. So gibt es bei den Schulkindern ein
Belohnungssystem: Wer zwischen 9.00 und 9.15 kommt, wird mit einem Sternchen
belohnt. Ab fünf Sternchen gibt es ein kleines schulbezogenes Geschenk, z.B.
einen Wecker. Die Arbeit in den Gruppen beginnt um 9.15 Uhr und endet um 13.00
Uhr.
Gleich nach dem Unterricht um 13.00 Uhr gibt es Mittagessen. Das Mittagessen
wird von einer Romni gekocht und orientiert sich einerseits an traditionellen
Gerichten der Roma, andererseits natürlich am klassischen Kindergeschmack. Es
ist uns sehr wichtig, die oft schlecht oder falsch ernährten Kinder so gesund
wie möglich zu versorgen!
Gegessen wird in zwei Gruppen. Die Kindergartenkinder essen im Kindergarten und
für die Schulkinder werden im Bewegungsraum Tische und Bänke aufgebaut.
Das Nachmittagsangebot ab 13.30 ist altersgemischt und angebotsorientiert. „Die
Kinder von der Straße zu holen“ bedeutet nicht nur, ihnen Zugang zu Bildung zu
ermöglichen, sondern ihnen auch die Möglichkeit zu geben, jenseits aller
materiellen Sorgen „Kind zu sein“, d.h. wie alle anderen Kinder auch zu spielen
und zu toben, Zugang zu kreativen und sportlichen Angeboten zu haben, Ausflüge
zu machen etc.
Der Kindergarten
Der Aufbau einer stabilen und regelmäßigen Kindergartengruppe gehört zu unseren
zentralen Anliegen. Hier musste Pionierarbeit geleistet werden. Im Gegensatz zum
Schulbereich, dessen Besuch den meisten Eltern trotz aller Widersprüche wichtig
ist, gilt es bei den Roma als durchaus verpönt, wenn kleine Kinder von Personen
außerhalb der Familie betreut werden. So waren die ersten Kindergartenkinder
Geschwister, die „mitgebracht“ wurden und denen es dann so gut im Kindergarten
gefiel, dass sie Eltern und Geschwister immer wieder damit genervt haben, dass
sie wiederkommen wollten. Andere Eltern bekamen vom Sozialamt die Auflage, ihre
Kinder in einem Kindergarten anzumelden oder wurden von betreuenden Personen
gebracht.
Verständlicherweise war und ist es dann oft nötig, dass die Mütter zunächst
einige Zeit mit in der Kindergartengruppe verbringen, um zu sehen, wie es ihren
Kleinen dort geht, was mit ihnen gemacht wird etc. Glücklicherweise konnten wir
für diese Arbeit kompetente und erfahrene ErzieherInnen gewinnen, die, in
Kooperation mit einer Roma-Mitarbeiterin nun seit Jahren die entscheidende
Elternarbeit leisten und das Vertrauen der Familien gewinnen.
Einige der Kindergartenkinder wurden von einer Erzieherin und einem
Zivildienstleistenden bis zum letzten Jahr mit einem Kleinbus von zuhause
abgeholt und auch wieder zurückgebracht. Dieser Fahrdienst war lange Zeit von
wesentlicher Bedeutung für die Stabilität der Kindergartengruppe. Dies hat sich
mittlerweile geändert. Die Mütter bringen und holen ihre Kinder selbst und so
konnte der Fahrdienst in diesem Jahr eingestellt werden.
Im Kindergarten sind 25 Kinder angemeldet und die Gruppe ist am Rande ihrer
Kapazitäten angelangt.
Der Tag beginnt für die Kindergartenkinder ab 9.00 Uhr mit dem Frühstück. Es
gibt Milch, Cornflakes, Obst und Brot. Auch die kleineren Schulkinder, die
pünktlich um neun Uhr kommen, frühstücken manchmal mit. Die Kinder und Eltern
trudeln langsam ein, der Frühstückstisch bleibt am Vormittag bis gegen 10.30
aufgebaut.
Danach wird in der Puppenecke oder mit der Holzeisenbahn gespielt, mit
Bauklötzen gebaut, gemalt, gepuzzelt etc., auf dem Hof Roller und Dreirad
gefahren oder im Sand gebuddelt. Gegen 11.00 Uhr findet dann Gruppenarbeit in
Form von Malen, ersten Brettspielen, Basteln oder Vorschulübungen statt.
Bei den Kindergartenkindern ist es uns wichtig, dass sie die Möglichkeit
bekommen, all das zu lernen, was die größeren Kinder in ihrer Kleinkindzeit
verpasst haben: Unbeschwert spielen, Farben, Jahreszeiten, Malen, Schneiden,
Puzzeln, Kleben, Turnen ... lernen. Hierzu gehört auch das Lernen und Einhalten
von Gruppenregeln, die Erfahrung von angeleitetem Spiel, Sprachförderung,
Ausflüge etc.
Auch im Kindergarten gibt es besondere Angebote: Holzwerkstatt, Basteln und
Handarbeiten, Spielen und Malen am Computer sowie Singen und Sport finden einmal
pro Woche speziell für die Kindergartenkinder statt. In 2004 hat sich bzgl. der
musikalischen Früherziehung ein neuer Wochenhöhepunkt entwickelt: einmal
wöchentlich kommt ein Mitglied des Philharmonischen Vereins der Roma und Sinti
in den Kindergarten, singt mit den Kindern und bringt ihnen das
Blockflötespielen bei.
Während am Vormittag die Gruppen klar getrennt sind, haben die
Kindergartenkinder am Nachmittag die Möglichkeit, auch an anderen Angeboten im
Haus teilzunehmen.
In diesem Jahr hat eine größere Gruppe von Kindern den Kindergarten verlassen.
Sechs ehemalige Kindergartenkinder besuchen seit September die Grundschulgruppe
in Schaworalle, vier weitere wurden in die erste Klasse bzw. Vorklasse einer
Regelgrundschule eingeschult.
Für einen Jungen, der mit sieben Jahren immer noch den Kindergarten besucht,
wurde in Zusammenarbeit mit dem jugendärztlichen Dienst des
Stadtgesundheitsamtes eine einmal wöchentlich stattfindende Frühförderung
organisiert. Ein entsprechendes Angebot gibt es zum ersten Mal in Schaworalle
und es zeigt gute Erfolge.
Zum Problem entwickeln sich mittlerweile die Kleinkinder unter drei, die sich
mit ihren Müttern und Geschwistern in Schaworalle aufhalten und natürlich in den
Kindergarten drängen. An manchen Tagen, wenn die Kindergartengruppe nicht voll
besetzt ist, ist es natürlich möglich, dass auch die Kleinkinder mit im
Kindergarten oder im Hof spielen, oft ist es allerdings schwierig. Sowohl für
die Kinder als auch für die Mütter ist dies keine befriedigende Lösung. So
denken wir zurzeit über ein adäquates Angebot für die ganz Kleinen nach.
Die Hortgruppe
„Die kleine Schule“ und ihre Lehrer
Schaworalle ist auch Schule, die Kinder nennen es die „kleine Schule“.
Die „kleine Schule“ will Zwischenstation oder Alternative zur „großen Schule“
(Regelschule) sein, zuständig für all die Kinder, die aufgrund von Überalterung
oder kultureller Konflikte, mangelnder Sprachkenntnis, drohender Ausweisung,
häufigem Wohnungswechsel oder einfach aufgrund des Misstrauens der Roma vor der
Institution Schule, diese nicht oder nicht mehr besuchen. Es ist uns wichtig,
den natürlich schulpflichtigen Kindern einen Zugang zu Bildung zu ermöglichen,
den sie auch annehmen -dürfen und können-, und so der „Schulpflicht“ ein „Recht
auf Bildung“ entgegenzusetzen. Eine Zielvorstellung dabei ist natürlich die
begleitete Einschulung in die Regelschule. Die Erfahrung der letzten Jahre hat
allerdings gezeigt, dass dieser Schritt für viele Kinder und auch für viele
Schulen kein einfacher ist. So ist und bleibt es die wichtigste Aufgabe, den
Kindern eine adäquate niedrigschwellige Lernatmosphäre anzubieten, in der
Verständnis für ihre besondere Lebenssituation herrscht.
45 Kinder und Jugendliche, die nicht in der Nähe wohnen, sind für den Besuch der
„kleinen Schule“ mit Monatsfahrkarten ausgestattet, die über das Stadtschulamt
finanziert werden.
In Schaworalle arbeiten fest zwei vom Staatlichen Schulamt Frankfurt abgeordnete
Lehrer mit voller Stundenzahl, ein Grundschullehrer und ein Hauptschullehrer. So
sind wir auch in formaler und rechtlicher Hinsicht anerkannter Unterrichtsort.
Die beiden Lehrer sind Schulen zugeordnet, im Grundschulbereich ist dies die
Comeniusschule, im Hauptschulbereich die Friedrich-Stoltze-Schule. Diese beiden
Schulen entsenden im Rahmen des Programms „Besondere Projekte“ des Staatlichen
Schulamtes die Lehrer an „Schaworalle“. Alle Grundschulkinder sind somit
offizielle Comeniusschüler, alle Hauptschüler Friedrich-Stoltze-Schüler. Die
Akten werden in den Schulen geführt. Die Schüler bekommen zum Ende des
Schuljahres Zeugnisse mit dem Briefkopf der jeweiligen Schule. Die Zeugnisse
enthalten natürlich den Vermerk, dass die Beschulung im Rahmen des Projektes
Schaworalle erfolgte.
Wir sind sehr froh, dass diese beiden Schulen bereit waren, mit uns zu
kooperieren.
Diese Regelung bedeutet nicht, dass Kinder, die in die Regelschule eingeschult
werden, dann diese Schulen besuchen. Einschulung richtet sich nach anderen
Kriterien (Wohnort etc.) und bedeutet dann Schulwechsel.
Seit Sommer 2004 werden wir im Schulbetrieb zudem von einer Sonderschullehrerin
der Friedrich-Stoltze-Schule unterstützt. Mit zurzeit acht Stunden pro Woche
können so einzelne Kinder oder kleine Gruppen besonders gefördert werden. Der
Schwerpunkt dieser Förderung liegt im Bereich der Grundschulgruppe, der größten
und heterogensten Schulgruppe in Schaworalle. Hier zeigen sich große Erfolge.
Die Friedrich-Stoltze-Schule hat 2005 den Friedenspreis der Frankfurter Schulen
erhalten. Neben den vielen Begründungen, wie Intensivklassen,
Nachmittagsbetreuung, Gemeinsamer Unterricht für behinderte und nicht behinderte
Schüler, SchuB-Klassen für Schüler, die die Hoffnung schon aufgeben wollten,
Projektunterricht etc., die diesen Preis mehr als rechtfertigen, spielte auch
die gute Kooperation mit Schaworalle in der Begründung der Jury eine Rolle.
Durch die Verfestigung und Professionalisierung des Schulbetriebes in
„Schaworalle“ hat sich der Kontakt zu den „großen“ Schulen intensiviert und
gefestigt. Für die Kinder, die die Regelschule besuchen, und ihre Hausaufgaben
in Schaworalle machen, fungieren wir als Vermittler zwischen Schule und
Elternhaus. Diese Gruppe hat sich 2005 nochmals vergrößert bzw. stabilisiert und
umfasst bis zu 15 Kinder. Der jüngste Regelschüler besucht die Vorklasse, die
Ältesten die siebte Klasse.
Das Thema „Einschulung“ und „regelmäßiger Schulbesuch“ ist, wie vieles andere
auch, in Schaworalle nicht geradlinig. Bei fast allen Schulkindern in der
Regelschule gibt es hin und wieder Probleme, längere familiär bedingte
Fehlzeiten, mangelnde Motivation aufgrund der Perspektivlosigkeit der Familien
etc. Dennoch sind unsere „Große-Schule-Kinder“ mittlerweile eine feste Gruppe,
die stolz auf ihre Leistung ist und die von den anderen Kindern entsprechend
bewundert wird.
In 2005 haben sieben Kinder den Übergang in die Regelschule geschafft, sechs
davon im Grundschulbereich.
Die Themen Aufenthalt und Wohnungswechsel bzw. Obdachlosigkeit oder
Hotelunterbringung sind jedoch immer wieder die Bruchstelle.
So sind drei der Kinder, die im Herbst eingeschult wurden, nach erneutem Umzug
wieder zurück in Schaworalle.
Schulgruppen / Unterrichtsorganisation in „Schaworalle“
Unterricht in „Schaworalle“ wird nicht nur von den Lehrern gestaltet. Die
pädagogischen
Teams der Gruppen bestehen aus den ausgebildeten Lehrern sowie Romamitarbeitern
und Sozial- oder Diplompädagogen/innen, die Unterrichtsbereiche übernehmen
(Lernen am Computer, muttersprachlicher Unterricht, „Natur und Technik“, Musik
und Kunst)
Im September 2005 haben wir die Zeitstruktur des Unterrichtes geändert.
Der Unterricht findet nun statt in zwei in drei Lerneinheiten a einer Stunde
statt. Die erste Einheit ist von 9.15 bis 10.15, es folgt eine Pause von 15
Minuten, die zweite Einheit geht von 10.30 bis 11.30, es folgt wiederum eine
Pause und die dritte Lerneinheit umfasst 75 Minuten von 11.45 bis 13.00.Uhr.
Die Grundschulgruppe
Diese Gruppe von Kindern im Alter von 7 – 11 Jahren umfasst zurzeit 32 Schüler.
Die Regelmäßigkeit ist recht hoch, so dass täglich bis zu 30 Kinder anwesend
sind.
Es existieren viele verschiedene Lernniveaus, die durchaus unabhängig vom Alter
der Kinder sind.
Einige Kinder sind noch nicht sehr lange in Deutschland, sprechen und verstehen
nur wenig Deutsch, waren noch niemals in der Schule und verfügen dementsprechend
über wenig Kenntnisse. Andere sind vorübergehend bei uns (z.B. bei
Obdachlosigkeit oder vorübergehender Hotelunterbringung) bzw. befinden sich nach
dem Finden einer Wohnung in der „Warteschleife“ zur nächsten Einschulung. Wieder
andere Kinder sind schon lange in Schaworalle
Aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen der Kinder, ihres zum Teil
schwierigen Verhaltens und auch der sehr verschiedenen Konzentrationsfähigkeit
ist die Betreuung dieser Gruppe besonders personalintensiv. Neben dem Lehrer ist
mindestens noch eine weitere Betreuungsperson mit in der Klasse, meist eine
Romni.
Zudem wird die Gruppe an acht Wochenstunden verstärkt durch den Einsatz einer
Sonderschullehrerin, die kleine Gruppen oder einzelne Schüler in einem anderen
Raum intensiv fördert.
Der Stoff umfasst die gesamte Palette des Grundschulunterrichtes.
Die Bereiche Deutsch, Rechnen und Sachkunde stehen im Vordergrund, einmal
wöchentlich gibt es aber auch Lernen am Computer, Werken und Musik. In 2006 soll
zudem Englischunterricht eingeführt werden.
Im letzten Jahr wurde in der Grundschulgruppe der Kernunterricht noch stärker
individualisiert, indem für alle Kinder ein Arbeitsplan in den Bereichen
Deutsch, Mathe und Sachkunde eingeführt wurde. Jedes Kind verfügt über einen
Ordner mit in der nächsten Zeit zu erledigenden Aufgaben. So wissen die Kinder
immer, was sie zu tun haben, können nach eigenem Tempo arbeiten und sich die
Themenschwerpunkte für die Stunde aussuchen. Jedes Kind, das regelmäßig kommt,
hat zudem spezielle Fördereinheiten durch die Sonderpädagogin. Viele Kinder
haben so entscheidende Lernfortschritte gemacht (Lesen gelernt, Mengenbegriffe
verstanden etc.).
Auch die klassischen Problembereiche wie Zuspätkommen am Morgen oder längere
Abwesenheit können durch diese Arbeitsmethode besser aufgefangen werden.
Die Atmosphäre in der Grundschulgruppe hat sich im Vergleich zu früher sehr
entspannt. Gerade für die Kinder dieser Altersgruppe ist es wichtig feste Regeln
und Bezugspersonen zu haben. Insbesondere den „wilden“ Jungs dieser Gruppe
scheint eine männliche Lehrkraft gut zu tun.
Die Mittelstufe
In der Mittelstufe werden diejenigen Kinder (11 – 14 Jahren) unterrichtet, die
die Grundschulgruppe erfolgreich absolviert haben, lesen und schreiben können
sowie die Grundrechenarten beherrschen, aber auch diejenigen neuen Kinder, die
im entsprechenden Alter sind. Es wird versucht, den Unterricht so weit wie eben
möglich dem Stoff der fünften / sechsten Klasse anzupassen. Bis auf einige
Ausnahmen, die so oft wie möglich auch einzeln oder in Kleingruppen gefördert
werden, ist die „Mittelstufe“ leistungshomogener als die Grundstufe.
Die Mittelstufengruppe umfasst zurzeit 18 Kinder.
Die Hauptschulgruppe
Hier wird denjenigen Kindern und Jugendlichen (14 – 16 Jahre) ein
Bildungsangebot gemacht,
- die schon lange unser Projekt besuchen und bei denen trotz diverser Versuche
kein Besuch in der Regelschule gelungen ist,
- die im eigenen kulturellen Zusammenhang schon „Erwachsene“ sind und denen die
Eltern keinen Schulbesuch mehr erlauben,
- oder auch diejenigen, die vom Sozialamt oder von der Jugendgerichtshilfe die
Auflage haben, unsere Einrichtung zum Zweck des Schulbesuchs zu besuchen.
-
Natürlich gibt es auch hier immer wieder „Schulanfänger“, die zum Teil noch
alphabetisiert werden müssen oder dringend Einzelförderung benötigen. Diese
Schüler werden ein bis zweimal wöchentlich in einer Kleingruppe oder im
Computerraum gefördert.
Der Unterricht in der Hauptstufe umfasst die gleichen Fächer wie in der
Mittelstufe, nämlich Deutsch und Mathematik, Englisch, Lernen am Computer,
„Natur und Technik“ (Grundbegriffe der Naturwissenschaften) sowie
Gesellschaftskunde in der Muttersprache.
Auch in der Hauptstufe stehen derzeit 18 Jugendliche auf der Liste.
Hauptschulabschluss
Zum ersten Mal gibt es im Schuljahr 2005 / 2006 eine Gruppe von fünf
Jugendlichen, die sich auf den Qualifizierten Hauptschulabschluss vorbereitet,
die so genannte Leistungsgruppe. Diese Gruppe erhält wöchentlich sechs
Zeitstunden mehr Unterricht in den Prüfungsfächern Deutsch, Mathematik und
Englisch.
Ein Baustein zum Abschluss, nämlich die Projektprüfung, wurde im Januar 2006
schon mit gutem Erfolg absolviert. Zum Thema hatten sich die Jugendlichen
„Bühnenbild und Bühnendekoration für das Weihnachtstheater Dornröschen“ in
Schaworalle ausgesucht.
Während der Durchführungsphase vor der Weihnachtsfeier arbeiteten sie von
morgens bis abends an Kulissen, Kostümen und Requisiten, bauten die Bühne auf,
organisierten Licht und Ton. Das Ergebnis, das natürlich per Video festgehalten
wurde, war toll. Besonders beeindruckte die Dornenhecke, die aus Hunderten von
Krepppapierrosen bestand und mithilfe von an der Decke befestigten Nylonfäden
wuchs und wieder verschwand. Nach den Weihnachtsferien hatten die Jugendlichen
dann noch zwei Tage Zeit, mithilfe ihrer Tagebücher, Fotos, Videos und Objekte
die Präsentation vorzubereiten.
Ein Junge erstellte quasi als Rahmen eine Power-Point-Präsentation, während die
anderen jeweils einen Themenbereich der Arbeit vorstellten.
Für alle Jugendlichen war dies die erste richtige Prüfungssituation ihres Lebens
und nicht nur sie selbst, sondern auch alle beteiligten Erwachsenen waren auf
die guten Noten schließlich sehr stolz.
Durch die gemeinsame Arbeit und die Projektprüfung sind die Jugendlichen zu
einer Gruppe zusammengewachsen, die sich gegenseitig anspornt und motiviert.
Im Mai 2006 werden dann zum ersten Mal in Schaworalle Prüfungsarbeiten zum
Qualifizierten Hauptschulabschluss geschrieben werden. Wir hoffen sehr, dass es
alle Schüler der Leistungsgruppe bestehen weren.
Der Nachmittag
Nach dem Mittagessen lösen sich die Gruppen altersgemischt und
neigungsorientiert auf. Die meisten Jugendlichen gehen nach einer kurzen
Spielphase nach Hause, die Kinder, die die Regelschule besuchen, kommen zum oder
nach den Mittagessen hinzu.
Ab13.30 Uhr gibt es das Angebot zur Hausaufgabenhilfe, an der täglich
fünf bis zehn Kinder teilnehmen. Das Belohnungssystem der Sternchen gibt es in
dieser Gruppe natürlich auch, nämlich für besonders gut gemachte Hausaufgaben,
gute Noten und regelmäßigen Schulbesuch. Die angesparten Sternchen werden für
all die vielen Dinge, die Schulkinder so benötigen, auch dringend gebraucht!
Neben dem vielfältigen Angebot zum freien Spielen (Tischfußball, Toben im
Bewegungsraum oder auf dem Außengelände, Brettspiele aller Art, Malen, Basteln
etc.), gibt es täglich ein bis zwei besondere Angebote:
An ein bis zwei Nachmittagen ist die Holzwerkstatt geöffnet, wo die
Kinder mit allerlei Werkzeug an zwei Werkbänken lernen, kleine Dinge
(Brettspiele, Kreisel, Schiffe, Autos, Karussells, Tischtennisschläger etc.)
selbst herzustellen oder auch schon einmal einen zerstörten Stuhl zu reparieren.
Im Sommer haben die Kinder einmal in der Woche die Möglichkeit in der
Fahrradwerkstatt zu lernen, ihre Räder zu reparieren.
In einem anderen Raum im Erdgeschoss ist die Musikwerkstatt
untergebracht, wo unter
Anleitung mit Trommeln und Orff-Instrumenten rhythmisch gearbeitet wird. Zudem
gibt es Keyboardunterricht (mit Kopfhörern) für Einzelne und kleine Gruppen.
Besonders beliebt ist dieser Raum als Rückzugsmöglichkeit zum Tanzen und
Musikhören.
Immer wieder werden für ein bis zwei Stunden die neuesten Romahits aus Rumänien
gespielt und groß und klein widmet sich der Lieblingsbeschäftigung: dem Tanzen.
Zwei bis drei Nachmittage pro Woche kann unter Aufsicht der Billardraum
genutzt werden.
Sehr beliebt ist der Computerraum. Im Rahmen des von Aktion Mensch
geförderten Projektes „Computergestütztes Lernen“ stehen hier den Kindern an
vier Nachmittagen in der Woche sieben Rechner zur Verfügung. Neben den
Basisprogrammen wie Word, Paint, Excel, Ulead für Photos etc. sind die Computer
insbesondere mit ansprechender Lernsoftware für alle Altersstufen ausgestattet.
Einzeln oder in Kleingruppen arbeiten die Kinder so gezielt weiter an ihrer
Lernentwicklung. Zudem gibt es mittlerweile ein großes Fotoarchiv in den
Computern sowie die Möglichkeit, gezielt im Internet zu surfen.
Täglich nach dem Mittagessen wird der Bewegungsraum intensiv genutzt.
Besonders beliebt ist neben diversen Ballspielen das Tischtennisspielen.
Täglich war und ist die Tischtennisplatte hart umkämpft und einige Kinder haben
durchaus sehr große Leistungsfortschritte gemacht.
Einmal wöchentlich bietet unser Grundschullehrer nachmittags Sportunterricht
in der Turnhalle einer unserer Kooperationsschulen an, im Wechsel einmal für die
Mädchen und einmal für die Jungs. Für die Mädchen gab es im Frühjahr zudem durch
eine befreundete Grundschullehrerin einen HipHop-Tanzkurs.
Nach den Sommerferien bis zu den Herbstferien wurde der Sportunterricht in den
Grüneburgpark verlegt, wo unter Anleitung von Verkehrspädagogen der Polizei der
Fahrradführerschein gemacht wurde.
Einmal im Monat findet die Vollversammlung für alle Kinder und Mitarbeiter von
Schaworalle, die „Bari Worba“ (Rom.:“das große Wort“) statt.
Hier werden alle anstehenden Themen, wie Pläne für die nächste Zeit, Erfolge und
Konflikte, Regeln und Sanktionen und nicht zuletzt auch Wünsche und Ideen
besprochen.
Seit Januar 2004 werden in der „Bari Worba“ aus jeder Schulgruppe ein oder zwei
Schüler zu den „ Schülern des Monats“ ernannt. Diese kleine Gruppe macht dann
zusammen mit einer Betreuerin einen besonderen Ausflug z.B. in die Eissporthalle
oder ins Kino. Natürlich gibt es auch einen „Schüler des Monats“ unter den
Kindern, die die Regelschule besuchen.
Die „Bari Worba“ knüpft an die Tradition der „cris“, der romainternen
Gerichtsverhandlung, an. Sanktionen, die in einer „cris“ vom „crisatori“
(Richter) ausgesprochen werden, werden von den Mitgliedern der Gemeinde sehr
ernst genommen und eingehalten. Da wir einerseits auf dieses, den Kindern
vertraute Instrumentarium zurückgreifen, andererseits aber die Versammlung nicht
nur unter dem Gesichtspunkt der Sanktionierung durchführen wollten, einigten wir
uns auf den Titel „Bari worba“. Die Versammlung wird von den Kindern sehr ernst
genommen.
Feste
Jeden letzten Freitag im Monat wird in Schaworalle Geburtstag gefeiert.
Alle Kinder, die in diesem Monat Geburtstag hatten, werden mit „Happy Birthday“
besungen, bekommen ein kleines Geschenk, es gibt Torte und danach werden von
klein und groß zu den aktuellsten Hits die zwei Lieblingsspiele
„Luftballontreten“ und die „Reise nach Jerusalem“ gespielt.
Höhepunkt des Jahres 2005 waren ein großes Sommerfest im Juli und
natürlich die Weihnachtsfeier.
Zum Sommerfest hatten wir viele Gäste aus Ämtern, Institutionen und Schulen
eingeladen.
Auf der Bühne im Bewegungsraum wurde von den Kindern ein buntes Programm mit
Musik, Tanz und Theater aufgeführt, im Hof gab es Spiele für die Kinder und es
wurde fleißig gegrillt. Ein kleiner Höhepunkt des Sommerfestes war die
Überreichung der Verbeamtungsurkunde an unseren Grundschullehrer.
An Weihnachten bleiben wir seit zwei Jahren „unter uns“, das heißt, neben
den Kindern und Eltern werden nur noch ehemalige Mitarbeiter von Schaworalle und
die KollegInnen des Fördervereins eingeladen. Schon so platzt der feierlich
geschmückte Bewegungsraum aus allen Nähten. Neben musikalischen Darbietungen der
Kinder ist der erste Höhepunkt der Feier das Weihnachtstheater in der
Muttersprache Romanes. Dieses Jahr wurde das Märchen Dornröschen gespielt.
Die Inszenierung des Theaterstücks ist jedes Jahr zwei bis drei Monate lang ein
großes Thema. Mit den Kindern, muttersprachlichen Mitarbeitern und Müttern
zusammen werden in den Herbstferien die Dialoge übersetzt. Ab Anfang November
verteilen wir die Rollen und dann wird mehrmals wöchentlich geprobt. Wie immer
wirkten auch dieses Jahr viele Kinder mit und das Stück wurde mit viel Tanz
unterlegt.
Das Ergebnis begeisterte bei der Weihnachtsfeier wieder die ganze anwesende
Gemeinde. Die tollen Kostüme, Requisiten und üppige Bühnengestaltung der
Projektgruppe trugen natürlich ihren Teil dazu bei.
Nach dem Theaterstück kommt jedes Jahr der von den Kindern mit Spannung
erwartete Weihnachtsmann. Die mittlerweile zehn Jahre alte Aktion des
Kinderbüros „Weihnachtsgeschenke für Frankfurter Kinder“, bei der wir quasi von
Anfang an mitmachen, sorgt dafür, dass jedem Kind ein Wunsch erfüllt werden
kann.
Ausflüge und Ferien
Während der Schulzeit finden in Schaworalle immer wieder kleine Ausflüge ins
Schwimmbad, zum Fahrradfahren an den Main, ins Museum, zu Ausstellungen, zum
Schlittenfahren in Taunus, ins Kino etc. statt.
Mehr Zeit für besondere Aktivitäten ist natürlich in den Ferien. Dann gibt es
auch in „Schaworalle“ keinen Unterricht und wir organisieren für die Kinder und
mit ihnen zusammen ein ganztägiges Ferienprogramm. Neben Spielaktionen und
-projekten im Haus gibt es Ausflüge mit der ganzen Gruppe ins Schwimmbad, in die
Lochmühle, in den Zoo, zum Grillen in den Park, zu den Mainspielen etc.
Die Ferienfreizeit
Jedes Jahr in den Sommerferien fährt Schaworalle eine Woche „in Urlaub“, ein
Höhepunkt im Jahr, nach dem viele Kinder schon ab Frühjahr immer wieder fragen.
In diesem Jahr waren wir mit einer Gruppe von 28 Kindern im Alter von 7 bis 14
Jahren in Willingen im Hochsauerland. Die Jugendherberge war schön gelegen,
direkt am Wald und wir hatten sogar ein eigenes Haus. Allerdings war leider fast
die ganze Zeit über schlechtes Wetter. So mussten wir auf Indoor-Aktivitäten wie
Hallenbad, Kletterhalle, Glasbläserei oder Eisdisco zurückgreifen statt im See
zu baden und waren viel mit dem Bus unterwegs statt zu Fuß. Nur am letzten Tag
war ein Ausflug ohne Regen zur Sommerrodelbahn möglich.
Trotz allem war es eine spannende und lustige Zeit und schon jetzt, im Januar
2006, wird überlegt, wo es in diesem Jahr hingehen soll.
Mädchen / Mädchenarbeit
Der Mädchenanteil bei „Schaworalle“ beträgt ca. 50 %.
Im Kindergarten- und Grundschulbereich sind die Jungen oft in der Überzahl, im
Bereich der älteren schulpflichtigen Kinder betreuen wir auffällig viele
Mädchen. Dies hat mehrere Gründe: So gilt bei vielen Romafamilien Schule und
Bildung für Mädchen als weniger wichtig als für Jungen und ist in der Regel nur
bis zum zwölften oder dreizehnten Lebensjahr überhaupt möglich. Der
gemischtgeschlechtliche Zusammenhang z.B. einer Regelschule wird als Gefahr für
die Tochter gesehen, insbesondere dann, wenn keine Aufsichtsperson aus dem
eigenen Kulturkreis anwesend ist. „Schaworalle“ gewährleistet diese Aufsicht
durch Geschwister und Betreuer, die Roma sind.
Da die Perspektiven der Mädchen angesichts von Tradition, Lebenssituation und
Chancen auf ein eigenständiges Leben, z.B. in Form von Berufstätigkeit, sehr
gering sind, ist Kindern und Eltern der Sinn des Lernens über die
Grundkenntnisse hinaus oft schwer vermittelbar.
Dennoch ändert sich gerade hier vieles. So besuchen mittlerweile genauso viele
Mädchen wie Jungen die Regelschule und in der Leistungsgruppe bereiten sich zwei
Mädchen auf den Hauptschulabschluss vor.
In allen Gruppen ist auffällig, dass die Mädchen oft diejenigen sind, die
schneller Lernerfolge erzielen, sowohl im kognitivem als auch im psychosozialen
Bereich.
Gezielte geschlechtsspezifische Angebote gibt es außer dem Sportunterricht oder
auch Kleingruppenausflügen in Schaworalle nicht. Allerdings ziehen sich die
Mädchen oft mit einer muttersprachlichen Mitarbeiterin in den Musikraum zurück,
wo sie dann ungestört sind und neben dem Tanzen und Musikhören natürlich
geschlechtsspezifische Themen im Vordergrund stehen. Insbesondere die älteren
Mädchen reden viel über Traditionen wie das frühe Heiraten oder die ständige
Aufsicht durch Eltern und Geschwister, fangen an diese in Frage zu stellen und
manchmal auch dagegen zu rebellieren.
Die Mutter-Kind-Gruppe / "Mama lernt Deutsch"
Am Montagvormittag trifft sich in Schaworalle eine weitere Gruppe: die
Mutter-Kind-Gruppe. Das Angebot, konzipiert in Zusammenarbeit mit der
Jugendgerichtshilfe und der Bewährungshilfe, richtet sich speziell an junge
Romafrauen mit Säuglingen und Kleinkindern, die gemeinnützige Arbeit abzuleisten
haben. Im Durchschnitt nehmen sechs Frauen mit jeweils einem bis drei Kindern
regelmäßig das Angebot wahr. Mit der Maßnahme sollen die jungen Mütter, die
zwischen 17 und 25 Jahre alt sind, an die Einrichtung herangeführt werden, aber
auch die Möglichkeit haben, sich bezüglich Kindererziehung, Gesundheitsvorsorge,
sozialer Probleme etc. auszutauschen. Seit Mai 2002 gibt es für diese Gruppe
auch ein Bildungsangebot: „Mama lernt Deutsch“. „Mama lernt Deutsch“ ist ein
Kooperationsprojekt des Amtes für Multikulturelle Angelegenheiten und der
Volkshochschule. Ziel ist die Alphabetisierung und das Erlernen der deutschen
Sprache bei ausländischen Müttern. Dabei wird für die Kinderbetreuung gesorgt.
Eine Mutter kümmert sich zusammen mit einer Erzieherin von uns um die Betreuung
der Kleinkinder, während die übrigen Mütter bei einer Lehrerin der VHS den
Unterricht besuchen. Für die Kinderbetreuung wird eine kleine
Aufwandsentschädigung gezahlt. Die Kosten für den Kurs übernimmt der
Förderverein.
Das Angebot hat sich bewährt. Zwar ist der Schulraum für die Gruppe recht klein
und aufgrund der vielen Säuglinge geht es auch manchmal recht turbulent zu,
dennoch lernen die meisten Frauen eigentlich gerne und motiviert. Leider sind es
auch hier oft die existentiellen Sorgen, die die Regelmäßigkeit beeinträchtigen.
Elternarbeit / Beratung und Betreuung der Familien
Ein Schwerpunkt der Arbeit des Fördervereins Roma betrifft die Arbeit mit den
Familien, bislang insbesondere die Beratung und Betreuung in Sachen
Existenzsicherung und Aufenthalt. Diese Arbeit wird in der Geschäfts- und
Beratungsstelle des Vereins geleistet. Die Koppelung der beiden Schwerpunkte
Kindertagesstätte und Beratungsstelle hat sich bewährt. Da die Eltern auch ihre
Probleme bzw. die der ganzen Familie in „Schaworalle“ vertreten sehen, fällt der
Zugang und die Identifikation mit der pädagogischen Arbeit leichter. Oft sitzen
Mütter und Väter für einige Zeit am Tisch vor der Küche, trinken einen Kaffee,
unterhalten sich, interessieren sich für das, was ihre Kinder tun und sind
ansprechbar für deren Probleme und Entwicklungen. Insbesondere mit den Eltern,
deren Kinder die Regelschule besuchen, sind immer wieder Gespräche nötig. Viele
Ängste müssen ausgeräumt werden, bzgl. Schwimmen, Ausflügen oder gar
Klassenfahrten, die vielen Briefe der Schulen müssen erklärt und die vielen
Sachen, die gebraucht werden, gemeinsam besorgt werden. Genauso wichtig sind die
Vermittlung und Übersetzung beim Kontakt mit den Lehrern.
Zu fast allen Eltern bestehen so mehr oder weniger enge Beziehungen.
Diese Nähe zur Familie hat natürlich auch ihre Schattenseiten. Es muss gut
darauf geachtet werden, dass der pädagogische Alltag durch die Anwesenheit zu
vieler Eltern nicht gestört wird und Konflikte von Kindern auch Konflikte von
Kindern bleiben, die durch das Personal geregelt werden und nicht durch die
anwesenden Eltern.
Natürlich sind die Familien auch bei allen wichtigen Anlässen oder Festen in
„Schaworalle“ anwesend.
Leider ist die konkrete Arbeit an Existenzsicherung und Aufenthalt nicht immer
so erfolgreich wie die Arbeit mit den Kindern und Eltern. Die Erfolge liegen
hier oft nur im Detail, ein Krankenschein hier, eine verlängerte Duldung da,
Sozialhilfe für ein in Deutschland geborenes Kind etc.
Es gelingt oft nicht, die desolate soziale und ausländerrechtliche Situation der
Familien dahingehend zu verändern, dass die Basis der Kinder für einen
einigermaßen gesicherten Ausbildungsweg gegeben ist. Im Gegenteil ist es eher
der Fall, dass Familien mit Kindern, die schon sehr lange in Deutschland sind,
sehr massiv und konkret von Abschiebung bedroht sind.
Öffentlichkeitsarbeit
Die Kindertagesstätte „Schaworalle“ ist ein bundesweit bekanntes Pilotprojekt.
Die „Sichtbarkeit“ der Arbeit, die Tatsache, dass hier Romakinder wirklich all
das tun, was andere Kinder auch tun und sich dabei außerordentlich wohl fühlen,
hat dazu geführt, dass der Besuch von interessierten Gruppen und Einzelpersonen
seit der Eröffnung im Oktober 1999 nicht abgerissen hat. So gibt es häufig
Termine mit Lehrern, Fortbildungsgruppen, Studenten, Schulklassen,
Arbeitskreisen, Vertretungen von Ämtern und Institutionen etc., die sich vor Ort
über die Arbeit und über die Hintergründe des Lebens der rumänischen
Romafamilien in Frankfurt informieren möchten.
Alle drei Monate findet zudem der Ämter übergreifende „Arbeitskreis Roma“ in
Schworalle statt, sowie zweimal im Jahr eine Veranstaltung zur
Lehrerfortbildung.
Bei allem Trubel, den der viele Besuch manchmal mit sich bringt, und der
Gratwanderung, die Besuche nicht zu viel werden zu lassen, hat sich doch
gezeigt, dass die direkte Auseinandersetzung mit der Arbeit, den Kindern und
Familien oft schneller zu mehr Verständnis führt als die theoretische
Diskussion.
Veröffentlichungen
Im Mai 2005 wurde in Schaworalle ein Teil einer Kindersendung aus der Reihe „Willi
wills wissen“ produziert, die in der ARD, in KiKa und auch im BR gezeigt
wird. Thema der Sendung war „Wie lustig ist das Zigeunerleben wirklich?“. Das
Fernsehteam wurde von den Kindern und Erwachsenen herzlich aufgenommen und der
Produktionstag war ein aufregender Tag für alle. Gefilmt wurde im Unterricht, in
der Küche und beim Mittagessen, es gab ein langes Interview mit einer
muttersprachlichen Mitarbeiterin und im Bewegungsraum improvisierten einige
Musiker des Philharmonischen Vereins der Roma und Sinti ein Konzert. Leider
wurde in der Sendung aber trotz ausführlicher Vorgespräche und langer Interviews
das entscheidende Thema, nämlich die Aufenthaltssituation der Familien,
ausgespart.
Über den Themenbereich „Roma und Schule“ wurde eine Examensarbeit mit dem
Titel „Wir lernen anders“ im Fachbereich Sonder-und Heilpädagogik
geschrieben. Die Studentin hatte viele Monate in Schworalle hospitiert und viele
Interviews gemacht.
Eine Woche lang hospitierte zudem eine amerikanische Sozialwissenschaftlerin in
Schaworalle, die an der University of Minnesota über den Themenbereich
„Schulprogramme für Roma in Deutschland“ ihre Dissertation schreibt.
Arbeitskreise
Neben der guten, auf die konkrete Situation oder den Einzelfall bezogenen
Vernetzung mit diversen städtischen Ämtern und Institutionen (Stadtschulamt,
Sozialamt, Jugendamt, Staatliches Schulamt, AMKA) gibt es zwei große
Arbeitskreise, in denen „Schaworalle“ vertreten ist. Da ist zunächst der oben
schon erwähnte „Arbeitskreis Roma“, der seitens des Jugendamtes initiiert
wurde und bei dem Vertreter diverser städtischer Ämter (insbesondere der
Sozialrathäuser, der Jugendgerichtshilfe, der Bewährungshilfe etc.) und auch der
Polizei wichtige Themenbereiche bezüglich der Situation der in Frankfurt
lebenden rumänischen Romafamilien besprechen. Die Themen betreffen
Ausländerrecht und Sozialhilfebezug, Straffälligkeit, Schulbesuch, aber auch
Hintergründe zu Kultur und Lebensorganisation der Roma. Ziel ist die Ausbildung
von Multiplikatoren, die in ihren jeweiligen Arbeitsbereich die Informationen
weitertragen können.
Zum Thema „Schulische Integration von Romakindern“ wird von Schaworalle
in Kooperation mit dem Amt für multikulturelle Angelegenheiten und dem Aufnahme-
und Beratungszentrum für Seiteneinsteiger des Staatlichen Schulamtes eine
Veranstaltungsreihe im Rahmen der Lehrerfortbildung organisiert. In 2002
wurde aus diesem Kreis heraus die Broschüre „Dawen Bachtale“ – Zu Fragen der
schulischen Integration von Romakindern“ herausgegeben, die sehr viel Beachtung
findet. „Dawen Bachtale“ ist Romanes und heißt soviel wie „Herzlich Willkommen“.
In 2005 wurde der Verteiler der Lehrerfortbildungsveranstaltung nun wieder
ausgeweitet auf alle Frankfurter Grund-, Haupt- und Sonderschulen und die
Resonanz war entsprechend hoch.
An einer Veranstaltung im November 2005, bei der die Arbeit von Schaworalle
vorgestellt wurde, nahmen über dreißig Lehrer teil. Wichtig war uns auch hier
die Begegnung von Roma und Nicht-Roma, ein Reden mit Roma und nicht nur über
Roma. So berichteten die muttersprachlichen Mitarbeiter von Schaworalle über
ihre Arbeit, aber auch über eigene Erfahrungen mit dem Thema Schule. Es
entwickelte sich eine lebhafte Diskussion, die im März 2006 mit dem
Themenschwerpunkt „ Bedeutung von Familie und Traditionen“ fortgesetzt werden
soll.
Des Weiteren gibt es einen internen Arbeitskreis, der sich speziell mit der
konzeptionellen Entwicklung zum Thema Schule in „Schaworalle“
beschäftigt. Hier sind die zuständigen Vertreter des Stadtschulamtes, des
Staatlichen Schulamtes, des AMKA, des Jugend- und Sozialamt, die Schulleiter der
Kooperationsschulen sowie die Lehrer und die Leitung von Schaworalle zugegen.
Regelmäßig nehmen zudem Vertreter des Fördervereins Roma am Arbeitskreis
„Illegalität“ teil, der vom Bereich Migration und kulturelles Zusammenleben,
Referat Flucht und Migration, des Diakonischen Werkes organisiert wird. Leider
wird das Thema Illegalität bzw. drohende Illegalisierung von Menschen, die schon
lange in Deutschland leben, immer wichtiger in unserer täglichen Arbeit. An zwei
Sitzungen, bei denen es speziell um die Auswirkungen auf die Lebens- und
Bildungssituation von Kindern ging, die von diesem Thema betroffen sind, wurde
seitens der Leiterin über die Erfahrungen in Schaworalle berichtet.
Jugendgericht / Jugendgerichtshilfe
Schaworalle arbeitet eng mit dem Jugendgericht, der Jugendgerichtshilfe und auch
der Bewährungshilfe zusammen, nicht nur bzgl. der Mama-Kind-Gruppe. Einigen
Kindern und Jugendlichen gelingt es nicht, den Teufelskreis von Randständigkeit
– Armut - Kriminalität zu durchbrechen und sie werden straffällig.
Da Zugang zu Bildung und die Anbindung an eine soziale Einrichtung, die die
Jugendlichen in ihrer gesamten Lebenswelt annehmen kann, die einzige und
manchmal auch letzte Chance ist, die viele haben, werden Schulbesuch oder auch
die Ableistungen von Stunden gemeinnütziger Arbeit in Schaworalle für manche
Jungen und Mädchen ab 14 Jahren zur Auflage. Auf die Einhaltung der Auflagen
wird genau geachtet.
Auch Erwachsene haben in Schaworalle die Möglichkeit gemeinnützige Arbeit
abzuleisten.
Meist verstärken ein bis zwei Mädchen oder Frauen so das Hauswirtschaftsteam.
Stadtgesundheitsamt / Jugendärztlicher Dienst
Schon seit 2001 wird in Schaworalle mehrmals im Jahr geimpft. Während zunächst
Schutzimpfungen gegen Tetanus, Kinderlähmung, Diphterie und Hepatitis B im
Vordergrund standen, wurde 2005 die Palette mit Impfungen gegen Mumps, Masern
und Röteln erweitert. Auch eine weitere Hepatitis B Impfung wurde durchgeführt.
Es gibt mittlerweile viele Kinder, die über einen vollständigen Impfschutz
verfügen. Wir sind dem jugendärztlichen Dienst des Stadtgesundheitsamtes sehr
dankbar für die gute Zusammenarbeit. Auch zu anderen Fragen (schulärztliche
Untersuchungen, Notwendigkeit von Frühförderung, Schnelldiagnose bei kleineren
Verletzungen etc.) haben wir hier immer einen Ansprechpartner.
Bundesweite Vernetzung
Seit Sommer 2004 gibt es in Köln ein ähnliches Projekt „Amaro kher“ (Romanes:Unser
Haus), das sich konzeptionell eng an Schaworalle orientiert. Träger ist der Rom
e.V., ein Verein, mit dem wir schon sehr lange insbesondere im Bereich
Menschenrechts- und Öffentlichkeitsarbeit kooperieren. Ausgangspunkt für die
Arbeit in Köln waren Romakinder aus Ex-Jugoslawien, die immer wieder durch
Diebstähle aufgefallen sind, aber auch die Tatsache, dass die meisten dieser
Kinder und Jugendlichen, die in Flüchtlingswohnheimen wohnen, als nicht
schulpflichtig galten und somit auch kaum Zugang zu Bildung hatten.
Im Vorfeld hatte es immer wieder Besuche aus NRW gegeben von Vertretern des
Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, der Aktionsgemeinschaft „Junge Flüchtlinge“,
des Kinderschutzbundes, des Landesjugendamtes, des Jugendamtes Köln, der Polizei
und natürlich des Rom e.V.
Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass es dann endlich gelang „Amaro kher“ zu
eröffnen. Ähnlich wie wir hat auch dieses Projekt das erste Jahr in einer
Übergangsunterkunft verbracht. Mittlerweile haben sie die eigentlichen Räume in
einer alten Villa mit großem Außengelände bezogen, die allerdings noch Stück für
Stück renoviert werden müssen. Auch in 2005 gab es viele Gespräche mit den
Kollegen und einige gegenseitige Besuche. Es ist schön, nun nicht mehr
„bundesweit einmalig“ zu sein und wir hoffen, den Kollegen in der Aufbauphase
mit unseren mittlerweile fast zehnjährigen Erfahrungen helfen zu können.
Ausblick 2006
In 2006 wird es einige Höhepunkte geben:
So wird dem Projekt Schaworalle Ende April seitens der Theodor-Heuss-Stiftung
eine Medaille für „sein beispielhaftes Engagement“ verliehen. Die
Theodor-Heuss-Stiftung zur Förderung der politischen Bildung und Kultur in
Deutschland und Europa e.V. wurde 1964 von Hildegard Hamm-Brücher gegründet und
verleiht seitdem jährlich einen Preis sowie mehrere Medaillen. Den
Theodor-Heuss-Preis wird in 2006 der ehemalige Präsident der Weltbank, James D.
Wolfensohn für sein „außergewöhnliches persönliches Engagement“ gegen
Antiziganismus erhalten, Medaillenträger werden neben Schaworalle Herbert
Grönemeyer und der Pakiv European Roma Fund aus Budapest sein.
Im Mai 2006 werden zum ersten Mal in Schworalle Prüfungsarbeiten zum
Qualifizierten Hauptschulabschluss geschrieben werden. Wir hoffen sehr, dass
alle fünf Schüler der „Leistungsgruppe“ bestehen werden.
Im Oktober 2006 wird das Projekt Schaworalle zehn Jahre alt. Darauf sind
wir trotz aller Sorgen und Probleme sehr stolz und natürlich wollen wir dies
auch mit einem großen Jubiläumsfest gebührend feiern.
Last not least
Die ganz große Sorge, die unsere pädagogische Arbeit immer wieder belastet und
beeinträchtigt ist die ausländerrechtliche Situation vieler Familien, deren
Kinder „Schaworalle“ besuchen. Mit der in 2001 getroffenen Vereinbarung zwischen
Deutschland und Rumänien, die die Rücknahme aller rumänischen Staatsbürger
betrifft, ist die schon lange unsichere Situation dem Gefühl realer Bedrohung
gewichen. Immer wieder werden Leute abgeschoben, oft die Familienväter alleine,
der Rest der Familie bleibt zurück und hofft, dass der Vater einen Weg findet
zurückzukommen.
Andere reisen mit der ganzen Familie aus in die ungewisse Zukunft nach Rumänien
oder ins europäische Ausland und kommen nach einigen Monaten als „Touristen“ mit
einem Visum für drei Monate zurück. Perspektive, Schule, Wohnung,
Existenzsicherung, Krankenversicherung bleiben völlig ungesichert.
Eine in 2004 erstellte Liste zeigt auf, dass seit 2002 über 50 Kinder, die
Schaworalle besucht hatten, mit ihren Familien das Land verlassen mussten, davon
75% in 2004. Bei den meisten handelte es sich um Familien, die lange Zeit in
Frankfurt gelebt hatten.
Auch in 2005 mussten wieder einige Familien das Land verlassen. Bei vielen
anderen Familien ist die Perspektive völlig unsicher. Einige Familien oder auch
Jugendliche befinden sich im Petitionsverfahren. Bislang wurden jedoch alle
Petitionen über kurz oder lang abgelehnt. Es bleibt zu hoffen, dass die
Härtefallkommission des Hessischen Landtags sich der Fälle annimmt.
So wird ständig über dieses Thema gesprochen. Die Familien, die fürchten, das
Land verlassen zu müssen, leben im Vier-Wochen-Rhythmus bis zur Verlängerung der
nächsten Duldung oder Vorladung, haben ständig Sorgen mit der Existenzsicherung,
hetzen von einem Termin zum nächsten. Die Situation belastet natürlich auch die
Kinder erheblich.
Wir Mitarbeiter von Schaworalle können die Bedrohung der Familien durch die
tägliche Zusammenarbeit sehr gut nachvollziehen.
Unsere pädagogische Arbeit erschiene uns fragwürdig, wenn wir uns nicht auch um
die existentiellen Belange der Familien kümmern würden. Denn der Teufelskreis
beginnt an jedem Ort wieder neu: Vorurteile - Leben auf und unter dem
Existenzminimum- Erwerbslosigkeit – Armut – Bettelei – Kriminalität –
Randständigkeit – Ausgrenzung – Perspektivlosigkeit.
Wir würden uns wünschen, dass die Stadt Frankfurt oder das Land Hessen
Verantwortung gegenüber den Kindern der „Schaworalle“ übernimmt.
Frankfurt, den 24.02.2006
Sabine Ernst
(Leitung Schaworalle)
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